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gen besitzen könnten. Die Reichen wollen noch reicher
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werden, und die reichsten Glieder unserer Pairie haben
kaum halbsoviel wie ein Lord im Oberhause des engli-
schen Parlaments. Daher werden alle französischen Pairs
ohne Ausnahme für ihre Söhne reiche Gattinnen suchen,
gleichviel, wo sie dieselben finden, und dies wird wohl
länger noch als hundert Jahre dauern. Allein ein glückli-
cher Zufall kann vielleicht deine Wünsche krönen, aber
auch deine besten Jahre, deine Jugendreize kannst du
vergeblich deinen Hoffnungen zum Opfer bringen. Viel-
leicht indessen, weil in unserem Jahrhundert die Liebe
gar viel vermag, wird deine Schönheit dies kleine Wun-
der vollbringen. Wenn sich Weisheit in einer so blühen-
den Gestalt wie der deinigen birgt, so läßt sich viel er-
warten. Du hast die Gabe, Leute zu durchschauen, um
ihre guten Eigenschaften und Schwächen zu erkennen.
Dies ist kein kleines Verdienst. Ich habe auch nicht nötig,
dich vor Täuschungen zu warnen. Du wirst dich von ei-
ner verführerischen Außenseite nicht täuschen lassen,
hinter der sich Roheit, Laster und Dummheit bergen. Und
somit bin ich mit dir völlig einverstanden. Heutzutage,
wo der Rang keine Abzeichen mehr hat, muß man den
Sohn eines Pairs an einem gewissen vornehmen Wesen
erkennen. Übrigens wirst du dein Herz im Zaume zu hal-
ten verstehen, denn mit deinen Wünschen hat Liebe
nichts zu schaffen. Nicht wahr? je nun, ich wünsche dir
alles Glück.«
»Ich danke dir, lieber Vater! wenn du dies im Ernst ge-
sprochen aber wie dem auch sei ich will lieber mein
Ende im Kloster der Condé finden, als irgend jemand
meine Hand schenken, der kein Pair ist.«
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Hiermit verließ sie ihren Vater, und zufrieden, jetzt ihrer
eigenen Willkür überlassen zu sein, hüpfte sie fort und
trällerte die Arie: Cara non dubitare aus der »heimlichen
Ehe.«
Am selben Tage war die ganze Familie zur Feier des Ge-
burtstages eines ihrer Mitglieder versammelt. Bei Ti-
sche sprach Madame Bonneval, Emiliens älteste Schwes-
ter, ziemlich laut von einem jungen Amerikaner, der,
Besitzer eines unermeßlichen Vermögens, aus besonderer
Liebe zu seiner Schwester es nur zu ihrem Besten zu
verwenden schien.
»Also ein Bankier?« fragte Emilie nachlässig, «die Geld-
spekulanten gefallen mir nicht sonderlich.«
»Aber Emilie!« fragte der Baron v. Villain, der Gatte
ihrer zweiten Schwester, »die Magistratspersonen gefal-
len Ihnen auch nicht sonderlich, wenn Sie obendrein die
unadeligen Gutsbesitzer auch verschmähen, so wüßte ich
nicht, aus welcher Menschenrasse Sie Ihren Gatten wäh-
len?«
»Besonders weil Sie die Schlanken nur begünstigen,«
fügte der ältere Schwager hinzu.
»Ich weiß recht gut, was ich will.« versetzte Emilie.
»Einen großen Namen und 100 000 Franken Einkünfte,
nicht wahr?« fragte die Baronin.
»Ich werde mich nicht so unbedacht vermählen, wie ich
bereits von anderen gesehen,« antwortete Emilie. »Übri-
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gens, um diesen fatalen Heiratsvorschlägen endlich ein
Ende zu machen, erkläre ich, daß ich denjenigen, der von
dergleichen redet, für den Feind meiner Ruhe ansehe.«
Ein alter Oheim Emiliens, ein 70jähriger Greis, dessen
Vermögen sich seit kurzem infolge erhaltener Entschädi-
gung um 20 000 Franken Einkünfte vermehrt hatte, der
Emilie besonders liebte und sich das Recht vorbehalten,
derbe Wahrheiten zu sagen, rief jetzt dazwischen:
»Quält doch das arme Kind nicht. Man sieht es ja, sie
wartet darauf, daß der Herzog von Bordeaux mündig
werde.«
Ein allgemeines Gelächter erfolgte, aber Emilie, ohne
sich dadurch beschämen zu lassen, sprach: »Ich warte,
bis Sie wieder mündig werden, lieber Onkel.«
»Das bin ich schon lange, mein Mädchen!«
»Sie sind jetzt wieder kindisch geworden!« versetzte E-
milie.
»Meine Lieben!« nahm Frau von Fontaine das Wort, um
den Streit beizulegen, »Emilie wird, wie ihre Brüder und
Schwestern, sich nur dem Willen ihrer Eltern fügen.«
»Nicht doch!« versetzte Emilie, »von heute an hat mein
Vater mein Schicksal in meine Hände gelegt.«
Aller Augen wandten sich in diesem Augenblick zum
Oberhaupt der Familie, voller Erwartung, wie er diesem
Eingriffe in seine Rechte und Würden begegnen werde.
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Der ehrwürdige Greis genoß nicht nur in der großen Welt
und bei seinen Umgebungen aller möglichen Achtung;
glücklicher, als so mancher Familienvater, behauptete er
eine Art patriarchalisches Ansehen unter den Seinigen,
wie dieses sich in englischen Familien gewöhnlich findet,
seltner, aber bisweilen doch auch, in den ältesten aristo-
kratischen Häusern des Kontinents.
Endlich unterbrach er die ehrfurchtsvolle Stille und sagte:
»Ja, von heute an darf meine Tochter ganz nach Ihrem
Willen handeln.«
Er sprach diese Worte so feierlich und bewegt, daß jeder
merken konnte, wie er alles, was ein Vater vermochte,
gegen die widerspenstige Tochter vergeblich angewen-
det. Von diesem Augenblicke an hielt es jeder andere für
überflüssig und ungeraten, in diese Angelegenheit sich zu
mischen, bis auf den Onkel, der als ein alter Seemann,
unbekümmert und rücksichtslos, seine Einfälle uad Wit-
zeleien nicht unterdrücken mochte, dessen Ausfälle aber
Emilie mit eben der Schärfe zurückschlug.
Der Sommer war gekommen, den die ganze Familie auf
dem Lande, in den schönen Gegenden von Aulnay, An-
tony und Chatenay, zuzubringen pflegte.
Der reiche General-Einnehmer hatte kürzlich ein Land-
haus für seine Gattin gekauft, wohin er nach dem Schluß
der Sessionen in Paris sich auch selbst verfügte. Emilie
war ihrer Schwester gefolgt, minder aus Anhänglichkeit
an ihren nächsten Verwandten, als des guten Tones hal-
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ber, der jede vornehme Dame nötigt, im Sommer Paris zu
verlassen.
Mit Recht darf man zweifeln, daß der Ruhm der Bälle
von Sceaux sich über die Grenzen des Seine-
Departements hinaus verbreitet. Diese wöchentliche
Lustbarkeit verdient hier eine nähere Beschreibung, weil
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